Den Seinen gibts der HERR im Schlaf

Predigt zu Markus 4,26-29 im Dietrich Bonhoefferhaus Troisdorf

„Chen jiten lidido schena“ – Man muss es schon auf Hebräisch hören, das Wort vom Schlaf aus dem 127. Psalm, um darin quasi das In-den-Schlaf-Wiegen zu spüren: Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.

Weshalb er selbst wohl schläft, demonstrativ, im Boot, als seine Jünger in Todesgefahr auf dem Meer sich mühen, am Leben zu bleiben. „Chen jiten lidido schena“ – Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.

„Habt ihr noch keinen Glauben?“ fragt er.

Heißt: Wer glaubt, kann auch schlafen. 

Und es darin dem Herrn gleich tun, der ruhte am siebten Tag von aller Mühe und Plage. Sabbatlich leben, heißt glauben.

Denn den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.

Und damit sie es verstehen und sich zu Herzen nehmen, die Seinen, darum erzählt er ihnen die folgende Geschichte - Markus 4,26-29:

Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen auf das Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiß nicht, wie.
Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre.
Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da. 



I.
Mit dem Reich Gottes ist es so, sagt Jesus.

Das ist sein Lebensthema, es zu verkündigen sein Auftrag und weiterzugeben sein Testament.

Das erste Wort, das der Evangelist Markus aus Jesu Mund überliefert, gilt dem Reich Gottes: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist herbeigekommen“. (Mk 1,15)

Und am Ende, als sie das letzte Mahl gefeiert hatten, da spricht er davon, dass er hinfort nicht mehr trinken wird vom Gewächs des Weinstockes bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinke im Reich Gottes (Mk 14,25).

Mit diesem Gottesreich, auf das Israel hofft von alters, das in Jesus nahe herbeigekommen ist und auf das wir hoffen, gemeinsam mit Israel hoffen, mit diesem Gottes Reich, ist es so:

II.
Ein Gleichnis erzählt er, öffnet die Augen: „Seht was vor Euch steht!“

Wir können’s ja begreifen in diesen Tagen:

Seht, wie es sprosst und treibt, wie Halme sich recken und Köpfe sich strecken. Und du weißt nicht wie.

Und jeder einzelne eine Verheißung auf eine wärmere Zukunft: Schneeglöckchen, Krokusse, Hyazinthen.

Denn von selbst bringt die Erde Frucht.
Ich weiß nicht, wie.

Eben war noch alles kalt vereist, alles Leben stock und steif, scheinbar leblos im Sarg der Winterruhe. Aber der Keim war da. Immer. Unsichtbar. Die ganze Zeit.

Und nun, etwas milder nur das Klima und schon beginnt es zu treiben, das Leben.  Von selbst.

Mit dem Reich Gottes ist es so, sagt Jesus.

Und du weißt nicht wie…

Und du weißt nicht wie schnell zum Beispiel die Zeit verging. Waren doch eben noch klein und auf dem Schoß und turnen nun durch die Welt, als wäre sie ihr Kinderzimmer.

Und du weißt nicht wie…  aber plötzlich war sie da, fühlbar, aber nicht fassbar, kann auch nur sagen dass, kann nicht erklären warum, könnte zerspringen vor Glück, weil sie einfach da ist: die Liebe – und du weißt nicht wie…

Und du weißt nicht wie… aber dass ich hier und nicht dort gelandet bin, dass ich dies gemeistert und an jenem nicht zerbrochen, dass mir immer noch die Kraft zum Leben geschenkt ist… und du weißt nicht wie.

Seht, liebe Gemeinde, mit dem Reich Gottes ist es wie mit diesen vielen „Ich weiß nicht wie…“-Geschichten unseres Lebens. Was wissen wir schon? Und vom Reich Gottes noch viel weniger.

Bei allem strategischen Denken, dem Planen und Konzipieren, nicht nur unseres Lebens sondern auch unserer Gemeinde und unserer Kirche – ich bin erklärtermaßen ein Fan davon, - lasst uns das „Ich weiß nicht wie…“ nicht vergessen, das wundersame, geheimnisvolle, überraschende und doch zugleich verlässliche Hereinbrechen des Reiches Gottes in all unser Tun und Machen.

IV.
Verlässliches Hereinbrechen des Reiches Gottes.

Von selbst bringt die Erde Frucht“. Automatä, steht im Griechischen. Automatisch. Weil es zum Wesen des Samens gehört, aufzugehen und Frucht zu bringen.

Der Same ist aktiv, nicht der Sämann: Der Same geht auf, er wächst, er bringt Frucht. Der Sämann aber schläft und steht auf und schläft und steht auf, Tag und Nacht.

Die Erzählung verkehrt demonstrativ das Tun des Sämanns… -  was muss man nicht alles tun: pflügen, eggen, säen, wässern, jäten…

Die Erzählung verkehrt demonstrativ das Tun des Sämanns ins Nichtstun. Müßiggang. Schlafen und Aufstehen. Während der Same aktiv wird: wächst und gedeiht.

Wie deuten? Vielleicht so, dass es dem Herrn genügt, zu säen und er wachsen lassen kann. Gott hat den Samen des Reiches ausgestreut. Nun wird es wachsen. Bricht hervor, hier und da und dort, wo wir es nicht erwarten und nicht wissen wie.

Seinen Jüngern diese Verlässlichkeit mit auf ihren Weg geben: Das Reich Gottes kann gar nicht anders, als wachsen, aufgehen und Frucht bringen. Und er wird ernten zur rechten Zeit.

V.
Was wächst für uns daraus hervor?

Gelassenheit, denke ich. Denn wenn er selbst es sich gönnen kann, nicht mehr zu tun als zu schlafen und aufzustehen, wie viel mehr müssten dann auch wir lassen können …

Und darauf vertrauen können, dass es wachsen wird, das Reich Gottes.

Konkret zum Beispiel:
In unserem Schwerpunkt Stadtkirche arbeiten wir viel mit flüchtigen Beziehungen. Menschen kommen herein, zum Beispiel ins Kirchencafé, besuchen punktuell die ein oder andere Veranstaltung, hören ein Konzert, sehen einen Film, besuchen eine Ausstellung, erleben eine Diskussion und werden danach vielleicht nie mehr gesehen.

Und tragen vielleicht doch in sich einen Samen, der hier ausgestreut wurde und dort aufgeht, an anderem Ort, zu anderer Zeit, ich weiß nicht wie… Aber darauf vertrauen, gibt uns die Kraft für diese Art Kirche zu sein mitten in der Stadt.

Wir wissen nicht, was die Kinder alles mitnehmen aus unserem Kindergarten, aus den Schulgottesdiensten, aus den Mini- und FamilienKIRCHEN, aber vielleicht ist es ja so ein Samenkorn, dass viel später einmal aufgeht, sie erinnert, ihnen Kraft, Halt, Orientierung gibt, und wir wissen nicht wann und wo und wie.

Ist es mit der Predigt anders? Da redet einer oder eine nach bestem Vermögen und Gewissen und kann gar nicht wissen, was die, die hören, hören. Und es mag sein, dass ein Satz, dem ich gar keine Bedeutung beigemessen habe, für diesen oder für jene wichtig wird, ins Mark trifft und überzeugt, und ich weiß nicht wie.

Gegen die, die in Wittenberg mit Gewalt und Druck die Reformation festzurren wollten, predigte Martin Luther: „Ich habe allein Gottes Wort getrieben, gepredigt und geschrieben, sonst habe ich nichts getan. Das hat, wenn ich geschlafen habe, wenn ich wittenbergisch Bier mit meinem Philippus und Amsdorf getrunken habe, so viel getan, dass das Papsttum schwach geworden ist, dass ihm noch kein Fürst noch Kaiser so viel abgebrochen hat. Ich hab nichts getan, das Wort hat alles gehandelt und ausgerichtet."

Den Reformatoren, die bereit waren ihr Leben für die Reformation der Kirche zu lassen, war wohl bewusst, dass die Zukunft und das Heil der Kirche nicht an ihnen hängen. Sie lebten und arbeiteten in der Gewissheit, dass allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muss.

Gelassenheit ist angesagt.

Und Bescheidenheit dazu: Denn wann die Zeit zum Ernten ist, es liegt nicht in unseren Händen. Mag sein, dass wir die Früchte unserer Arbeit nicht werden genießen können. Der eine sät, der andere erntet, Hauptsache, das Reich Gottes geht auf unter uns.

VI.
Ein letztes noch: Ich weiß nicht wie…

Unsere Unwissenheit schließt auch ein, dass wir nicht recht wissen können, wo und wie das Reich Gottes unter uns Gestalt gewinnt.

Das verunsichert. Erst recht, wenn wir uns bewusstmachen, dass das Reich Gottes im christlich-jüdischen Kontext immer auch soziale, gesellschaftliche und politische Dimensionen einschließt.

Viele von uns verunsichert in diesen Monaten der scheinbare Erfolg der Populisten. Das Regieren des amerikanischen Präsidenten ist Grund zur Sorge; die Erfolgsaussichten eine Geert Wilders in den Niederlanden und einer Marine Le Pen in Frankreich können uns fürchten lassen. Und das Erstarken der in vielen Punkten unchristlichen AfD in Deutschland treibt uns auf die Straße.

Was können wir tun? Was müssen wir tun?

Das Wort aussäen? Ja, das Wort aussäen! Einmal mehr reden vom Reich Gottes, das keine Nationen kennt und keine Rassen. Indem nicht Jude ist noch Grieche, nicht Mann noch Frau, nicht Knecht noch Freier, sondern alle eins in Christus.

Und darauf vertrauen, dass die Saat aufgehen wird. Es haben schon so viele Heiden getobt und Völker gemurrt und Könige der Erde sich aufgelehnt und Herren Rat gehalten miteinander wider den HERRN und seinen Gesalbten. Und wir dachten, er schläft…

Der im Himmel wohnt aber lachet ihrer und er HERR spottet ihrer.

Wir wissen nicht wie… aber dass keine Macht stark genug wäre, die Kraft des Reiches Gottes zu hindern, hindurchzubrechen ins Licht, das lehrt uns jeder Löwenzahn, der sich durch den Asphalt bohrt.

Das Reich Gottes würde auch dann, wenn geschehen sollte, was wir nicht hoffen, eine Graswurzel-Revolution bleiben, der sich früher oder später alle selbsternannten Heilsbringer werden beugen müssen.

Wir wissen nicht wann und wie. Er sendet die Sichel, wenn die Zeit der Ernte da ist.


Und wohl erst dann wird sich zeigen, wo und wie das Reich Gottes gegenwärtig ist.  Mag sein, dass wir dann überrascht feststellen werden, wie viel Reich Gottes wir verschlafen haben und er uns trotzdem geschenkt hat.

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