Gastfreundschaft
Predigt im Gottesdienst mit den Mitarbeitenden des Kirchencafés in der Johanneskirche zu 1. Mose 18,1-8
Sonntag, 24. September 2017 - Johanneskirche
Liebe Gemeinde,
Geschichten, die das
Leben schreibt, hier im Kirchencafé.
Erzählungen von
Begegnungen, manchmal heiter, manchmal ernst, manchmal traurig, anrührend oft,
unangenehm hin und wieder… Café – Geschichten.
Menschen, die das Leben
teilen in Erzählungen. Für einen kurzen Augenblick nur - die einen; ziehen weiter wie ein flüchtiger Schatten.
Andere kommen wieder, immer und immer wieder, haben das Kirchencafé zum zweiten
Wohnzimmer gemacht… wenn sie denn überhaupt ein erstes haben.
Am Ende aber gehen sie
alle. Wie viele Menschen wir in den rund 15 Jahren Kirchencafé schon ins „Ich
weiß nicht, was aus ihm geworden ist…“ still und leise verabschiedet haben?
Das Kirchencafé ist wohl
ein Ort zum Verweilen, nicht aber zum Bleiben. Gäste sind Gäste, Gemeinschaft
auf Zeit…
Muss man das begründen?
Muss man das begründen, dass
Kirche ein Angebot macht, das so offen ist, das einlädt, aber nicht
vereinnahmt. Nur weniger der Gäste, die unter der Woche im Café sitzen, kommen
sonntags zum Gottesdienst, landen in Gruppen und Kreisen, machen sich fest im
Ehrenamt der Gemeinde… Was soll dann das Café?
Liebe Gemeinde, den
Anfragen, von denen ich nicht weiß, ob Sie jemand heute hier in diesem
Gottesdienst noch stellt, von denen ich aber weiß, dass es sie gibt: Immerhin –
und einige, die an der Wiege des Kirchencafés standen, sind ja dabei – immerhin
haben wir ja mal angefangen.
Da wehte uns schon viel
Wind um die Nase: In der Bildzeitung mutierte das Café zur Kneipe. Andere fragten,
was eigentlich an einer Tasse Kaffee evangelisch sein könnte.
Und als Sven Mayer
seinerzeit für die neue Kaffeemaschine und bunte Tassen stritt, da war zu
hören, dass wir das Geld zum Fenster hinausschmeißen.
Und wenn man – was ja
auch vorkommen kann – seine Schicht in der Kirche gesessen hat, und kein Mensch
kam vorbei, dann mag sich auch die ein oder andere Mitarbeiterin fragen: „Macht
das hier Sinn?“
II.
Liebe Gemeinde,
auf alle möglichen
Anfragen will ich mit einer Geschichte antworten.
Diesmal keine Café
Geschichte, sondern eine aus der Bibel: Von Abraham wird sie erzählt in 1. Mose
18:
Und
es erschien ihm Jahwe bei der Terebinthe vom Mamre, als er am Eingang seines
Zeltes saß zur heißesten Zeit des Tages.
Wie
er nun seine Augen erhob und sich umsah, siehe, da standen drei Männer vor ihm.
Als
er sie sah, lief er ihnen entgegen vom Eingang des Zeltes, und er verneigte
sich zur Erde und sagte:
„Mein
Herr, habe ich Gnade in deinen Augen gefunden, so gehe doch nicht an deinem
Knecht vorüber!
Man
soll doch ein wenig Wasser bringen, dass ihr euch die Füße wascht, dann lagert
euch unter dem Baum.
Ich
will indessen einen Bissen Brot bringen, dass ihr euch laben könnt.
Dann
mögt ihr weiterziehen; wozu wäret ihr sonst an eurem Knecht vorbeigekommen.!
Sie
sprachen: Du magst tun, wie du gesagt hast.“
Auf den ersten Blick,
liebe Gemeinde, eine Geschichte altorientalischer Gastfreundschaft.
Die mag ihren Ursprung
haben in der nomadischen Welt: Menschen, die selber immer nur einen Ort auf
Zeit haben, die selber nur auf Durchreise sind, haben zum Gast-Sein ein anderes
Verhältnis. Wer selber erlebt hat, wie wohl es tut, wenn man als Gast
freundlich, wohlwollen, zuvorkommend willkommen geheißen wird, mag eher bereit
sein, andere als Gäste aufzunehmen.
Und die anderen, es sind
nicht nur die Vertrauten, die man kennt und mag, es sind die Fremden, die man
nicht kennt, jene, die im Vorübergehen sind: Der fremde Gast. Wer sich selber
immer wieder als Fremder erlebt, mag dem Fremden freundlicher begegnen.
Und: Menschen, die darum
wissen, dass auch sie nicht bleiben können, weitergehen werden, sind vielleicht
eher bereit, andere gehen zu lassen: Stärkt Euch, und dann könnt ihr
weiterziehen.
Gedanken, die uns noch
einmal neu und anderes berühren könnten, wenn wir uns Rechenschaft darüber
geben, dass keiner von uns bleiben wird.
Was hieße das für uns und
unser Leben und Zusammenleben, wenn das alte Kirchenlied zur Grundmelodie
unseres Lebens würde: „Ich bin ein Gast auf Erden, und hab hier keinen Stand…“?
III.
Abraham jedenfalls sitzt
vor dem Eingang des Zeltes und es ist ihm keine Frage: Die, die da kommen,
müssen willkommen geheißen werden, denen soll es gut gehen…
Und plötzlich dreht sich
alles um die Gäste: Da wird geschlachtet und gekocht und gegrillt...
Zugegeben, soweit geht
die Gastfreundschaft im Kirchencafe nicht. Es fehlt der Grill…
Aber oft genug sitzen die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Sonne am Eingang der Kirche bei der
Rotbuche von Troisdorf und blinzeln denen entgegen, die da kommen.
Sie werfen sich nicht vor
ihnen auf den Boden, käme auch komisch, aber zu fragen: „Kann ich Ihnen was
Gutes tun“, ist schon nahe bei Abrahams Gastfreundschaft.
Und dann lassen sie den
Menschen ihre Zeit. Soviel sie wollen und brauchen. Und lassen sie weitergehen.
Gastfreundschaft ist
immer eine Beziehung auf Zeit. Dass Menschen auch wieder gehen dürfen, ist eine
Grundvoraussetzung der Gastfreundschaft. Dass Menschen wieder gehen dürfen…
Im Kirchencafé leben wir
eine gastfreundliche Kirche: Wir laden Menschen ein, aber: Wenn ihr Euch
gestärkt habt, fühlt euch frei, weiter zu gehen.
Liebe Gemeinde, eine
einladende Gemeinde, und davon bin ich überzeugt, muss eine Kultur der
Gastfreundschaft entwickeln, sonst ist sie nicht einladend.
Und dazu gehört, dass sie
den Menschen die Freiheit lässt, zu verweilen und zu gehen, zu kommen und sich
zu verabschieden.
Das Kirchencafé ist für
mich der Ort, an dem diese Gastfreundschaft eingeübt und sichtbar gelebt wird.
IV.
Nun ist das aber nur der erste
Blick auf unsere Geschichte: Sie zu lesen als eine Geschichte altorientalischer
Gastfreundschaft, an der wir für uns noch einmal bedenken können, was es heißt,
eine gastfreundliche Gemeinde zu sein.
Doch es gibt auch noch
einen zweiten Blick.
Und der erzählt unsere
Geschichte als eine Heilsgeschichte. Denn die drei Männer, die da kommen, in
ihnen kommt Gott zu Abraham: Und es erschien ihm Jahwe bei der Terebinthe von
Mamre.
Sie bringen die
Verheißung, dass er und Sara einen Sohn bekommen werden und sie zum großen Volk
werden sollen.
Dass in den drei Männern
Gott selbst dem Abraham erscheint, das lässt der Erzähler nur uns, seine Leser
wissen.
Abraham ahnt davon
offensichtlich nichts. Für ihn bleibt es eine Geschichte alltäglicher Gastfreundschaft.
Zur Heilsgeschichte, in der Gott begegnet, wird sie uns, denen der Erzähler die
Augen dafür öffnet.
Diese Unwissenheit
Abrahams darüber, wer ihm da eigentlich begegnet, das ist das, worauf ich gerne
hinaus will.
Wer uns da in den
Menschen, die zu uns ins Café kommen, wer uns da wirklich begegnet, es bleibt
uns ein Geheimnis. Ich muss es auch nicht wirklich wissen.
Aber dass es sein könnte,
dass in dem Menschen, dem ich gerade die Tasse Kaffee hinstelle, mir Gott
selbst begegnen könnte, ist schon eine sehr aufregende Vorstellung.
Dass in den alltäglichen
Begebenheiten es sein könnte, dass Gott selbst gegenwärtig ist, eine, die doch
jeden Moment zu einem kostbaren macht. „Gott ist gegenwärtig, lasset uns
anbeten, und ihn Ehrfurcht vor ihn treten…“
Gott, dem es schließlich
sogar gefallen hat, in Jesus Mensch zu werden, kann und will immer wieder –
wann und wo es ihm gefällt, zu uns kommen. Vielleicht auch in dem Fremden, der
da in der Sonne vor mir steht, müde und erschöpft, heiter und ernst, suchend
nach Trost oder wenigstens Gesellschaft, … dass es sein könnte, dass Gott in
jedem Gast zu uns kommt, ist eine ungeheure Verheißung.
Der Hebräerbrief
formuliert es so: (Hebr. 13,2): „Gastfrei zu sein vergesst nicht; denn dadurch
haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt.“
Wir wissen es nicht, wer
der fremde Gast ist. Aber es könnte sein, dass Gott selbst sich diesen oder
jene ausgesucht hat, um mal eben bei uns vorbei zu schauen. Ein schöner
Gedanke. Und Grund genug, in der Kirche ein Café zu betreiben. Wenn nicht hier,
wo sonst?
Amen.
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